IMI-Analyse 2025/05

Bundeswehr goes TikTok

Militärische Maskulinitäten von Bundeswehrsoldat*innen auf TikTok

von: Jacqueline Andres | Veröffentlicht am: 17. März 2025

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Die Bundeswehr weitet ihre Präsenz auf den sozialen Medien kontinuierlich aus und startete im Juni 2024 ihren neuen TikTok-Kanal „BundeswehrKarriere“ mit der Kampagne „Explorers“. Bereits im Jahr 2020 bespielte die Bundeswehr für wenige Wochen TikTok und stampfte den Account wegen datenschutzrechtlichen Bedenken wieder ein. Bis heute ist TikTok auf Diensthandys von Soldat*innen verboten, weil die chinesische Regierung sich am Mutterkonzern BiteDance beteiligt. Aber TikTok ermöglicht den Zugang zu den Jugendlichen. Die Bundeswehr hat hier den Account BundeswehrKarriere (über 176.000 Follower, 2 Millionen Likes) und den weniger aktiven Account BundeswehrTalk (1.500 Follower). Die eingangs erwähnte „Explorers“-Kampagne wurde von CROSSMEDIA, Castenow und SpinTV kreiert. Digital – im “Social-Kosmos“[1] – lief sie „[m]it Video- und Top-Feed-Platzierungen bei TikTok mit Story Selection Ads, Voting- und Countdown-Stickern, einem Total Takeover auf Snapchat, einer eigenen Lense sowie via Instagram und YouTube.“[2] Interaktivität soll Nähe zu den hauptsächlich jugendlichen Nutzer*innen von TikTok herstellen. Inhaltlich knüpfte die 6 Millionen teure Kampagne ebenfalls an die sozialen Medien an: Die Influencer*innen Can, Selma, Tina und Tizian, die sich sonst mit Kochen, Fitness, Anmachsprüchen oder auch Comedy befassten und teilweise Likes im zweistelligen Millionenwert haben, fahren einen Monat lang aufgeteilt in zwei Teams zu verschiedenen Bundeswehrstandorten, um dort Challenges zu lösen und zu zeigen, was es für Jobs bei der Bundeswehr gibt. Der Koch Can bricht vorzeitig ab, die Bundeswehr sei nichts für ihn.

Weitere Videos auf diesem Account versuchen cool und interessant für das überwiegend jugendliche Zielpublikum auf TikTok zu sein und greifen Trends auf. Ein Video zeigt einen Ausschnitt aus Jurassic Park, als Dr. Ellie Settler zum ersten Mal einen Dinosaurier sieht und erstaunt aus dem Jeep blickt. In dem Bundeswehrvideo zeigt sich dann nicht der Dinosaurier als Quelle des Erstaunens, sondern ein Militärhubschrauber. Dieses binäre Motiv – Militär erstaunt und beeindruckt Frauen, männliche Potenz und weibliche Emotionalität – bedient der Account BundeswehrKarriere mehrmals.

Vermeintlich private Accounts von Bundeswehrsoldaten

Doch es sind vor allem die privaten Accounts von Bundeswehrsoldat*innen, die an Bedeutung für die Bundeswehr gewinnen. Dies schreiben auch die Social Media Expert*innen Marcel Bohnert – der ehemalige Leiter des Fachgebietes Social Media der Bundeswehr und heutiger zweiter stellvertretender Vorsitzender des Bundeswehrverbandes verstieß wegen des Likens von Onlinebeiträgen u.a. der Identitären Bewegung gegen die eigens formulierten Social Media Guidelines und verlor offiziell seinen Posten – und Lena Pütz, die zu den bekanntesten Bundeswehr-Influencerinnen gehört (@sportsoldatin): „Die militärischen Privat-Accounts dienen als Vorbild und Orientierungsmaßstab sowie als Ansprechpartner und Vermittler. Bundeswehrangehörige präsentieren online glaubwürdig ihren Arbeitsalltag, interagieren auf verständliche Weise mit der Community und zeigen sich von ihrer persönlichen Seite. Sie erzeugen dadurch Aufmerksamkeit, wecken Interesse und schaffen Sympathien für die Bundeswehr.“[3] Laut Bohnert und Pütz ging das Verteidigungsministerium bereits 2020 „von etwa 3.000 Bundeswehrangehörigen aus, die sich zu ihrem Beruf bekennend in Social Media einbringen. Etwa 500 von ihnen sind regelmäßig aktiv und knapp 50 werden zum Kern der sogenannten »Social Media Division« gerechnet.“[4]

Abgesehen von den offiziellen und den privaten militärischen Accounts der Bundeswehr gibt es auch gesteuerte Accounts der Bundeswehr.

Wir sehen hier viele Videos mit Fitnesscharakter, Eindrücken aus den Einsätzen, Alltagsaufnahmen aus Arbeits- und Privatleben, Informationen für Interessierte und auch immer die Schaffung bzw. Pflege von militärischen Männlichkeiten, die neben einer martialischen Hypermaskulinität auch aus männlicher Kameradschaft, männlicher Potenz, Wissen und Erklären, männlichem Gehorsam und Fitness bestehen.

Im Falle des Accounts von ninjago zeigt sich in einem Video der Werdegang zum Mann durch das Militär; ein Motiv, das sich auch von anderen Soldaten aufgegriffen wird. In einem anderen Video ist zunächst ninjago als Kind mit folgender Überschrift zu sehen: „Meine Eltern kamen nach Deutschland, um mir eine Zukunft zu bieten“. Anschließend ist er in Mali mit Maschinengewehr zu sehen – „aus Dankbarkeit wurde Überzeugung“. In seinen Videos zeigt sich auch oft der Bundeswehralltag mit Momenten mit Spaßfaktor, so in einem Video, in dem ninjago im Rahmen des MINUSMA-Einsatzes in Mali in einem Zelt tanzt – unterlegt mit der Unterschrift „just a young soldier with his brothers in arms“. Der Einsatz, der Kontext wird konsequent nicht gezeigt – das Video verbreitet den Charme eines Ferienlagers.

Cinematic Sergeant erstellt Videos mit hippen Tanzbewegungen, Witz, Technobeats und Panzern. In seinen Videos zeigt er immer wieder die Deutschlandfahne. In einem Video telefoniert er mit einem Freund, der gerade in einem Fastfood-Restaurant isst und fordert von ihm Unterstützung an. Der Freund verlässt das Restaurant, fliegt mit seinem Kampfjet los, lokalisiert den Ort und bombardiert – zur Freude von Cinematic Sergant. Mit einem vermeintlichen Humor und mit einer Darstellung von Kameradschaft und männlicher Potenz wird hier deutlich: Der Soldat braucht Unterstützung – er kriegt sie in Form einer Bombe aus einem Kampfjet.

MiTa988, Minentaucher988, zeigt sich beim Abschlusslauf, ein Minentaucher beugt sich vor, etwa ein Dutzend weitere Soldaten laufen um ihn herum und geben ihm einen Klaps auf den Hintern – ein Zeichen von Unterwerfung und männlichem Gehorsam.

Der Bundeswehroffizier David Matei betreibt den TikTok-Account Sicherheitspolitik, kommentiert und erklärt sicherheitspolitische Themen. Männlichkeit zeigt sich hier durch Wissen, Erklären und Verstehen.

Der Account von Anas zeigt immer wieder Videos, in denen Männlichkeit durch Kameradschaft dargestellt wird. Anas zeigt u.a. in einer Bilderfolge erst ein Bild von ihm und seinem Kumpel – oberkörperfrei in zivil, zu sehen, wie sie ihre Muskeln anspannen und sich selbst im Spiegel fotografieren. Darüber steht: „Du vertraust deinen Freunden nicht mal dein Handy an.“ Daneben sehen wir ein Bild von ihm und seinen Kameraden, Soldaten, in voller Montur mit Waffen im Wald und darüber steht: „Ich meinen mein Leben.“

Ein weiteres seiner Bilder zeigt ihn in Uniform mit Waffe und Mund-Nasen-Abdeckung im Wald – mit dem Schriftzug: „I’m a man, I’ll be fine“. Diese Aussage – ich bin ein Mann, ich komme schon zurecht – lässt keinen Raum für Schwäche, Emotionalität und Zweifel, sondern ist ein verbaler Ausdruck stereotypischer männlicher Stärke.

Martialischer zeigt sich der Account von Pierre NextGen, mit 2,6 Millionen Likes. In einem Video heißt es: „Das heißt nicht Entschuldigung. Ein deutscher Soldat entschuldigt sich nicht. Er bittet um eine harte und gerechte Strafe.“ Ein weiteres Video mit dem Titel „Mein bester Tag“ ist im Netflix-Stil mit Netflix-Logo gemacht. Zwei Soldaten nähern sich darin einem Fahrzeug. Sie schlagen das Fenster vom Beifahrer ein und holen den Beifahrer raus und fixieren ihn am Boden.

Auch hier: Männlichkeit durch Dominanz, durch Kraft. NextGen selbst bereitet auf Aufnahmeprüfungen bei der Bundeswehr vor.

Tatsächlich sind viele dieser privaten Accounts von Soldat*innen und ehemaligen Soldat*innen auch auf privaten Profit ausgerichtet. So verkaufen sie z.B. Proteinshakes oder Pullover mit Militär- und Kameradschaftssprüchen, Trainings oder Vorbereitungspakete auf die Aufnahmeprüfung – über Accounts von Soldatinnen werden hingegen u.a. Kosmetikprodukte beworben.

Vermeintliche Privataccounts von Bundeswehrsoldatinnen

Einige der Accounts von Soldatinnen versuchen ebenfalls, durch Einblicke in den Alltag, Fitness und Humor Aufmerksamkeit für die Bundeswehr zu schaffen, dabei reproduzieren sie regelmäßig stereotype Ideen von Frauen.

Eine der erfolgreichsten Bundeswehr-Influencerinnen ist VeryHerArms mit 1,2 Millionen Likes. Stets geschminkt, macht sie auf einem Bild einen Kussmund. Darüber steht der Vorwurf, mit dem sie konfrontiert ist: „Frauen wie du haben in der Bundeswehr nichts verloren.“ Daneben ein Bild von ihr in einem Kraftraum mit Hanteln, wie sie ihre Muskeln anspannt – „Frauen wie ich“. Sie übernimmt einen Teil der stereotypisierten Männlichkeit, der körperlichen Kraft und Fitness, und legitimiert sich dadurch bei der Bundeswehr. Der wiederholte Kussmund ist eine feminisierte Niedlichkeitsgeste, die bei Accounts von männlichen Soldaten bislang nicht zu finden ist.

Auch der Account von DieFrauHauptmann zählt zu den populärsten Kanälen einer Soldatin – mit nur etwa 272.000 Likes. Ein Video von ihr zeigt sie im Auto, geschminkt, mit Ohrringen, den Kopf leicht schief, eine Niedlichkeitsgeste. Dazu steht: „Girls, würdet ihr gerne sehen, was das Beste gegen Catcalling ist?“ Als nächstes sehen wir sie am Bahnhof in Uniform mit einem Hund. Auch hier: Ein vermeintlicher Feminismus in Uniform gibt den zivilen Frauen subtil das Versprechen an die Hand, sich durch die Übernahme von militärischen Männlichkeiten vor Sexismus schützen zu können.

Die Social Media Accounts der Bundeswehr arbeiten durchgängig mit Binaritäten und Stereotypen: Das schwache Zivile und das starke Militärische, der unbeholfene Junge und der durch das Militär geschaffene männliche Mann, der rationale Soldat und das emotionale „babe“, die zivile Partnerin. Die Darstellung von Fitness, Kameradschaft und wirtschaftlicher Erfolg unterfüttern diese Männlichkeitskonstruktionen. Soldatinnen hingegen eignen sich militärische Männlichkeiten nur insoweit an, wie es sich mit stereotypen Niedlichkeiten vereinbaren lässt und militarisieren Feminismus.

Anmerkungen


[1] Bundesministerium für Verteidigung wirbt erstmals auf TikTok um Nachwuchs, crossmedia.de 6.6.2024

[2] Ebd.

[3] Marcel Bohnert und Lena Pütz: Social Media in der Bundeswehr als Gestaltungsfeld der Inneren Führung, in: Uwe Hartmann, Reinhold Janke und Claus von Rosen (Hrsg.): Jahrbuch Innere Führung 2020. Zur Weiterentwicklung der Inneren Führung: Themen und Inhalte, Carola Hartmann Miles-Verlag, Berlin, 2020

[4] Ebd.